Rätsel der dunklen Ovale gelöst: Auch auf dem Jupiter bilden sich Tornados – allerdings im gigantischen Maßstab und nur an den Polen des Gasriesen, wie Planetenforscher entdeckt haben. Die Jupiter-Versionen der Windhosen haben den Durchmesser der Erde und ragen bis in die Ionosphäre des Planeten hinauf. Triebkraft für diese riesigen, nur in UV-Aufnahmen sichtbaren Wirbel sind wahrscheinlich Verwirbelungen von Magnetfeldlinien an den Jupiter-Polen, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.
Der Jupiter ist ein Planet der Superlative – das gilt auch für seine Wetterphänomene. Auf keinem anderen Planeten des Sonnensystems gibt es so tiefreichende, rasende Sturmbänder, so riesige Wirbelstürme oder den berühmten Großen Roten Fleck. Auch an den Polen des Gasriesen gibt es große Wirbelstürme, wie Aufnahmen der NASA-Raumsonde Juno enthüllt haben. Über ihnen wölbt sich jedoch eine dichte Schicht aus Aerosolen, wie Aufnahmen des Hubble-Teleskops im UV-Bereich gezeigt haben.
Dunkle Flecken in UV-Aufnahmen
Doch in diesen Aerosol-Polarkappen gibt es ein Phänomen, das bisher unerklärt geblieben ist: „Innerhalb der Polarkreise des Jupiter wurden temporär auftauchende dunkle Ovale unbekannter Herkunft beobachtet“, berichten Troy Tsubota von der University of California in Berkeley und seine Kollegen. Worum es sich bei diesen erdgroßen, scheinbar zufällig auftretenden Ovalen handelt und wie sie entstehen, blieb jedoch zunächst unerforscht.
Deshalb haben Tsubota und sein Team nun noch einmal systematisch nach Aufnahmen dieser rätselhaften Polarovale gesucht. Dafür werteten sie Archivaufnahmen des Hubble-Teleskops aus der Zeit von 1994 bis 2022 aus. In dieser Zeit hatte das Weltraumteleskop die Polarregionen des Gasriesen 26-mal mit seiner Wide Field Camera im ultravioletten Bereich beobachtet.
Am Südpol häufiger als am Nordpol
Die Astronomen wurden fündig: In der Zeit von 1994 bis 2022 hatte das Teleskop acht dunkle Ovale am Südpol und zwei am Nordpol des Jupiter eingefangen. „Damit scheinen die südlichen Ovale vier- bis sechsmal häufiger vorzukommen als ihre nördlichen Gegenstücke“, berichten Tsubota und seine Kollegen. Das Auftauchen und Verschwinden im Laufe der Beobachtungszeit legt zudem nahe, dass diese dunklen Phänomene maximal 81 Tage lang anhalten, einige sich aber auch schon nach gut zwei Wochen wieder auflösen.
Doch worum handelt es sich bei diesem Phänomen? Wie die Forscher erklären, deutet die dunkle Färbung der Ovale im UV-Bereich darauf hin, dass in ihnen die UV-absorbierenden Aerosole der polaren Dunstschicht besonders konzentriert sind. „Der Dunst in den dunklen Ovalen ist rund 50-mal dichter als für diese Dunstkappe normal“, sagt Koautor Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz.
Vom Magnetfeld angetriebene Tornados
Nähere Analysen der Daten ergaben, dass diese erdgroßen, dunklen Ovale rotieren und daher wahrscheinlich eine Art Tornado im Riesenmaßstab darstellen. Ähnlich wie bei den irdischen Windhosen saugen auch diese polaren Jupiter-Tornados Luft und Schwebstoffe aus tieferen Schichten der Jupiteratmosphäre in die Höhe, wie Tsubota und seine Kollegen erklären. Dadurch entstehen dann die UV-absorbierenden Zonen in der Ionosphäre des Gasriesen.
Anders als irdische Tornados werden die Jupiter-Ovale aber nicht von aufeinander treffenden Luftmassen und Winden erzeugt. Stattdessen vermuten die Planetenforscher, dass das starke Magnetfeld des Jupiter und die an den Polen zusammenlaufenden Magnetfeldlinien dafür verantwortlich sind. „Weil diese Ovale nur innerhalb der jovianischen Polarlicht-Zonen auftreten, scheint klar, dass sie letztlich von Interaktionen mit der Magnetosphäre des Planeten angetrieben werden“, so Tsubota und sein Team.
Konkret vermuten die Forscher, dass Reibungseffekte zwischen dem Jupitermagnetfeld und dem heißen, ionisierten Plasma des nahen Vulkanmonds Io für magnetische Turbulenzen sorgt. Diese bilden manchmal Magnetwirbel, die bis in tiefere Schichten reichen und einen Tornado verursachen.
Vom Inneren bis zu den Monden
„Solche Verbindungen zwischen verschiedenen Atmosphärenschichten sind für alle Planeten prägend und wichtig, ob Erde, Jupiter oder Exoplanet“, sagt Tsubotas Kollege Michael Wong. „Beim Jupiter sehen wir immer mehr Hinweise darauf, dass solche Prozesse das gesamte Jupitersystem durchziehen – von seinem inneren Dynamo bis zu seinen Monden und ihren Plasmahüllen, von der Ionosphäre bis in die stratosphärischen Dunstschleier.“
Die dunklen Tornados der Jupiterpole tragen nun dazu bei, diese weitreichenden Wechselwirkungen ein Stück besser aufzuklären. „Solche Phänomene helfen uns, den Planeten Jupiter als Ganzes zu verstehen“, sagt Wong. Warum die Jupiter-Tornados jedoch am Südpol häufiger sind als am Nordpol, ist noch offen. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02419-0)
Quelle: University of California Berkeley